Streuobstwiesen in Europa

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten die Bauern in Westeuropa und dem Mittelmeerraum verschiedene Agrar- und forstwirtschaftliche Systeme: Hecken, Streuobstwiesen, Hutewälder, Kastanien- oder Olivenhaine entstanden. Die Landwirte haben Bäume in ihre Ackerflächen und Tiere in die Wälder eingeführt. Bäume können den Kern der Landwirtschaftssystemen darstellen (z.B. Oliven-, Apfel-, Kastanienbäume oder Eichenhaine der Hutewälder) und zur Optimierung der  Produktion des Systems beizutragen. Europäische Agrar- und forstwirtschaftliche Systeme im Norden werden von borealen und sarmatischen Wäldern, im Osten durch die Steppen und im Westen und Süden durch das Meer begrenzt. Im Mittelpunkt des ESTO Projekts steht eines dieser traditionellen Systeme: Die Streuobstwiesen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren rund 2 Millionen Hektar der Fläche Europas mit Streuobstwiesen bewachsen, vornämlich in Frankreich und Deutschland, aber auch in Ländern wie der Schweiz, Österreich, Slowenien, Polen , England, Belgien, Spanien und weiteren Ländern. Diese Form der Obstproduktion wurde traditionell auf Ackerflächen angebaut. In den Jahren zwischen 1960 und 2000 sind diese agrar- und forstwirtschaftlichen Systeme in Europa deutlich zurückgegangen und verloren etwa 50% ihrer Fläche. Obstbäume werden heute nur in Verbindung mit Dauergrünland durch Mahd oder Beweidung (vor allem Rinder und Schafe) gehalten. Der Obstbau (Apfel, Birne, Kirsche) wird in verschiedene Arten von Produkten verarbeitet wie z. B. Apfelwein, Apfelsaft, Poiré, Essig, Calvados und Kirschsaft. Die Produktionskosten sind immer noch ziemlich hoch. Ein Teil der Produktion wird unter verschiedenen Marken (z.B. Bio-Produktion, Geschützte Herkunftsbezeichnung oder private Eigenmarken zur Förderung der Streuobstwiesen) direkt vermarktet.

Streuobstwiesen als Urbild einer nachhaltigen Landwirtschaft

Ein geringer Aufwand in der Intensität der Bewirtschaftung ist für Streuobstwiesen ebenso kennenzeichend wie eine hohe biologische Vielfalt. Darüber hinaus machen sie ein äußerst reizvolles Landschaftsbild aus. Die geringere Obstproduktion (10t/ha von Äpfeln) im Vergleich zu spezialisierten Obstgärten (30-50t/ha) wird durch Grasproduktion und einen längeren Lebenskreislauf kompensiert.

Mit unterschiedlichen ökologischen Nischen und der Bereitstellung von Biomasse, fördern Streuobstwiesen die Anwesenheit von Hilfsstoffen, Insektenfressern, Wühlmaus-fressenden Vögeln, kleinen Raubtieren, räuberischen Insekten (z. B. Schwebfliegen, Laufkäfern), Parasitoiden und Bestäubern. Sie tragen eine wichtige Rolle in der Schädlingsbekämpfung.

Streuobstwiesen sind das Urbild einer nachhaltigen Landwirtschaft mit geringem Bewirtschaftungsaufwand, wenig Belastung für die Umwelt und hochwertigen gesunden Erträgen. Die Vorzüge dieses Systems werden nun im Rahmen anderweitiger Verpflichtungen und Agrar-Umweltmaßnahmen anerkannt.

Streuobstwiesen waren nie ein unveränderliches Erbe. Ähnlich, wie in alle anderen landwirtschaftlichen Praktiken und Systemen, haben sich die Streuobstwiesen nach Bedarf, Technologie, Wissen und sozialen Verhältnissen entwickelt. Neue Sorten wurden ausgewählt und angewendete Erhaltungsmethoden immer wieder erneuert. Die Qualität der Produkte wurde verbessert. Streuobstwiesen entwickelten sich auch deshalb, weil die Landwirte bestrebt waren, immer das Beste aus ihrem Land heraus zu holen. Wenn Landwirte Streuobstwiesen anlegten, hofften sie immer, unterschiedliche Ergebnisse (Futter, Getränkeproduktion etc.) zu erreichen.